Der Anfang war gut. Sehr gut sogar, wenn man die Ausgangslage für Nils Stump im Kontext analysiert. Denn der erste Kampf war eben nicht nur ein schwieriger Gegner an sich, sondern auch eine Charakterprüfung.
Erst drei Monate war es her, dass Nils im ersten Kampf beim Grand Prix in Hohhot (CHN) auf den deutschen Judoka Anthony Zingg traf. Damals verlor der Schweizer nach einem Konter im Goldenscore. Bei der WM auf ebenden Kontrahenten zu treffen, ging mit einer entsprechenden Anspannung einher. Doch Nils bewies mentale Standhaftigkeit und vertraute auf seine Fähigkeiten, was ihm schliesslich den Sieg brachte.
«Nils hatte den Wettkampftag stark begonnen, indem er den deutschen Judoka Anthony Zingg dank sehr guter Arbeit im Ne-Waza hinter sich liess», so Chef Leistungssport Dominique Hischier.
Während Zingg im Standkampf wie erwartet ein hartnäckiger Gegner war, nutzte der Judoka vom JC Uster seine Optionen im Bodenkampf. Nach einem mustergültigen Überdreher konnte Nils die geforderten 20 Sekunden für den vollen Punkt im Festhaltegriff abliefern.
Obwohl der Ausnahmejudoka Fahrt aufgenommen hatte, hiess die Endstation bereits Victor Sterpu (MDA) in Runde zwei. Und man darf wohl behaupten, dass diese Aufgabe für den Schweizer machbar gewesen wäre. Für einen Sieg fehlte aber die Linie und ein konsequenter Positionskampf.
«Im zweiten Kampf konnte Nils leider seine taktische Linie nicht aufrechthalten. Er hätte den Moldawier Stepru mehr auf Abstand halten sollen», analysiert Hischier abschliessend.
So kam es, dass sich Victor Stepru zweimal zu eng an den Schweizer herankämpfen und mit seinen Aushebertechniken punkten konnte. Der Sieg in Runde eins bringt Nils dennoch 200 Punkte für die Weltrangliste.
Déjà-vu für Fabienne Kocher
Auch Fabienne Kocher bekam das hohe Leistungsniveau bereits in Runde eins gegen die Kanadierin Ecaterina Guica zu spüren. Wer die WM 2018 noch in Erinnerung hat, wird beachtenswerte Parallelen festgestellt haben – nur leider mit dem schlechteren Ende für Fabienne in diesem Fall. Vor einem Jahr bei der WM in Baku hiess Fabiennes erste Gegnerin ebenfalls Ecaterina Guica. In der «richtungsweisenden Prüfung» – wie das Duell damals charakterisiert wurde – konnte sich Fabienne mit einem gelungenen Sankaku-Gatame am Boden erfolgreich behaupten. 2019 misslang die Prüfung leider. Es war schliesslich genau umgekehrt der Fall – Ecaterina Guica setzte nach einem Stand-Boden-Übergang zum Sankaku an und beendete die Aktion erfolgreich. Der Sport schreibt interessante Geschichten, auch wenn wir in diesem Fall lieber vom wiederholten Sieg von Fabienne gelesen hätten. Manchmal muss man es akzeptieren. Die Geschichten gehen weiter.
«Heute sind wir enttäuscht, denn wir haben deutlich mehr von unseren beiden Athletinnen erwartet. Evelyne zeigte in ihrem ersten Kampf trotz allem, dass sie sich vollständig von ihrer Operation erholt hatte. Mit zwei Siegen (1 Freilos) holte sie für die Olympiaqualifikation dennoch wichtige Punkte. Fabienne war leider sehr früh aus dem Turnier gegen eine Gegnerin ausgeschieden, die sie im vergangenen Jahr bei derselben Meisterschaft besiegt hatte», so das Resümee von Chef Leistungssport Dominique Hischier